Lost DDR

Auf den ersten Blick mag es unverständlich erscheinen, inwiefern verlassene Gebäude zu dem Thema „Bewegung in Berlin“ passen mögen, bei genaueren Betrachten versteht man allerdings, dass der Akt des „Verlassens“ auch eine Regung darstellt und somit die Ortschaften zu stillen Zeugen einer bewegten Geschichte macht.

 

 

 

Lost DDR

 

Uns ging es in dieser Arbeit nicht darum, unzählige verlassene Orte aufzulisten und vorzustellen, sondern anhand von Beispielen die stattgefundene Bewegung sichtbar und dem Rezipienten erfahrbar zu machen.

Berlin’s einzigartige Geschichte, ist die Geschichte einer Bewegung. Eines zuerst auseinanderund dann wieder zusammengehens, bei dem es sowohl Gewinner als Verlierer gab. Unser Fokus lag also auf Gebäuden, die zu DDR-Zeiten frequentierte staatliche Einrichtungen waren und nach der Wende, aufgrund der Zusammenführung des Staatsapparates, aufgegeben wurden und seitdem leer stehen. Gebäude also, die dieser Bewegung zum Opfer gefallen sind.

Nach einiger Recherche stießen wir auf das ehemalige Säuglings- und Kinderkrankenhaus in der Hansastraße, ehemalige Kniprodeallee, im Stadtteil Weißensee, welches 1997, also circa sieben Jahre nach der Wende stillgelegt wurde und seitdem von Investor zu Investor weitergereicht wird, während es vor sich hin modert.

Dabei stellt das, in die Jahre gekommene, Gemäuer, einen Zeugen deutscher Geschichte dar. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm bei abnehmender Geburtenzahl die Säuglingssterblichkeit drastisch zu. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurden in Folge dessen zahlreiche Säuglings- und Kinderkliniken errichtet. Auch das Krankenhaus in Weißensee wurde am 8. Juli 1911, als erste kommunale Kinderklinik Preußens, feierlich eingeweiht. Nach 86 Jahren Betrieb, schloss der Berliner Senat die Klinik und überliess den Gebäudekomplex, bestehend aus 5 Häusern, welche durch einen Park mit altem Baumbestand verbunden sind, sich selber. 2005 glimmte Hoffnung auf, als ein russischer Investor das Grundstück erwarb und plante dort ein alternatives Krebszentrum zu errichten. Allerdings bewegte sich wieder nichts und die Stadt enteignete 2015 den Besitzer und ist nun wieder rechtmäßiger Eigentümer der Ruine, welche durch Vandalismus (mehr als 30 Fälle von Brandstiftung) so zerstört ist, dass eine Restaurierung keinen Sinn mehr machen würde.

Bei dem anderen portraitierten Gebäude handelt es sich um das Haus an der Statistik, welches umweit des Alexanderplatzes sein trauriges Dasein fristet. Vor kurzer Zeit landete es in den Medien, weil eine Künstlerinitiative den Vorschlag unterbrachte, das Haus als Atelierfläche und Wohnraum für Flüchtlinge umzugestalten. Die Bezirksverwaltung lehnte diesen Vorstoß allerdings ab, weil man vorhabe in naher Zukunft dort kommunale Verwaltungsabteilungen einzuquartieren. Das neun- bis elfgeschossige Büro- und Geschäftshaus entstand in de Jahren 1968-1970. Es beherbergte unter anderem die staatliche Zentralverwaltung für Statistik und verschiedene Läden. Nach der Wende wurde es bis 2008 als Außenstelle des Bundesamtes für Statistik und als Stasiunterlagen-Behörde genutzt.

Der Kontrast zwischen den beiden Gebäuden, auf der einen Seite das Kinderkrankenhaus, in dem Eltern um das Leben ihrer Kinder bangten und auf der anderen Seite das Haus der Statistik, in welchem Daten und Fakten akkumuliert, um aus einem Haufen von Individuen ein zu berechnendes Kollektiv macht, welcher sich auch in der Optik zeigt, faszinierte uns und wir versuchten anhand der gegeben Mittel diesen filmisch darzustellen.

 

 

Audiovisuelle Umsetzung

Wir entschlossen uns, den Film, den wir im Laufe des Semesters „Lost DDR“ tauften, mit der Stop- Motion Technik zu produzieren. Stop-Motion ist ein Verfahren der Bewegtbilderzeugung, bei dem einzelne Fotos aneinandergereiht werden, um einen Film zu erhalten. Es wird oft in Animationsund Kunstfilmen verwendet und wird durch seine ruckartigen Bewegungsabläufe charakterisiert. Unsere Wahl fiel auf die Stop-Motion Technik, da es den architektonischen Stillleben, durch die sichtbar „wackelige“ Zusammensetzung der Bilder Leben einhaucht und somit nicht nur eine reine Abbildung, sondern vielmehr eine Aneinanderreihung des Gesehenen ist.

Um die verlassene, inselartige Stimmung der Gebäude hervorzuheben und dem lautlosen Stop- Motion Film mehr Atmosphäre zu verleihen, unterlegten wir den Film mit unterschiedlichsten Soundspuren. Zum einen benutzten wir Musikstücke, wie „Ice Cave“ (beim Haus der Statistik); wie eine Eishöhle vermittelt das Stück Kälte und Abgeschiedenheit. Diese Assoziationen passen sowohl zu der kühlen, statischen Fassade des ehemaligen Statistikamtes, als auch zu dem geschichtlichen Hintergrund, zu den bürokratischen routinierten Abläufen, welche hier vollzogen wurden.

Mit dem Hintergrund des Kinderkrankenhauses wechselten wir in eine spielerische Musik, welche an Einschlaflieder von Säuglingen erinnert und somit Bezug auf seine Geschichte nimmt. Mit Umgebungsgeräuschen, wie die vorbeifahrende Trambahn oder das Krächzen der Vögel wird der Zuschauer mehr in die Situation geholt und entwickelt mehr Bezug zu den realen Schauplätzen.

Um die zuweilen andächtige Stimmung aufzulockern und den stillstehenden Gebäudeaufnahmen einen Gegenspieler zu geben, entschieden wir uns zum einen für künstlerische Sequenzen, wie dem „Blätterscratch“ bei Minute 2:12 und das Spiel der Fenster bei Minute 4:10, als auch für das Erscheinen des „Maskenmannes“.

Diese Einschübe dienen zudem dafür, Bewegungen nachzuempfinden, die so in den Gebäuden vor ihrer Stilllegung tatsächlich stattgefunden haben könnten. So besitzt der „Maskenmann“, bis auf sein Geschlecht, gezielt keine erkennbare Identität. Er ist stiller Zeuge und dient als Symbolfigur für alle Personen, die sich auf den Geländen je bewegt haben. Wie ein Geist aus einer längst vergangenen Zeit kommt und geht er ins Nichts – dem Zuschauer ist es unmöglich seinen Weg oder seine Beweggründe zu erkennen.

 

PROJEKT von:

SOFIA JACOBI
JOHANNES LORTZ
MOHAMMED CHAHROUR