Unter der Haut

Unter der Haut

„Doch die menschliche Haut ist nicht immer gleich »da«, wie die Medizin behaupten würde, sondern auch sie ist kulturellen Vorstellungen unterworfen, die sie kontinuierlich anders erscheinen lassen.“[1]

 

»Aus der Haut fahren«, »sich nicht wohl in seiner Haut fühlen«, »etwas hautnah erleben«, »unter die Haut gehen«… Die Alltagssprache ist durchsetzt mit Redewendungen, Sprichwörtern und Metaphern, die eine Verbindung zwischen Ich und Welt herstellen. Das Ich wird als ein körperliches gedacht, dabei gilt im Besonderen die Haut als Träger von Individualität und Geschichte, als essentieller Teil einer Person, als Repräsentationsfläche und auch als Ort kultureller Einschreibungen. Die Haut kann auch als Anderes des Selbst empfunden werden, als Hülle. Dabei kann sie einerseits als schützender Raum imaginiert werden, andererseits als unentrinnbares Gefängnis. Eine Körperhülle, die auch anscheinend überwunden werden kann, indem sich das Selbst über seine eigene Begrenzung hinwegsetzt.

 

 

In beiden Fällen kann Haut eine tatsächliche oder symbolische Grenze markieren, die das Innere vom Äußeren trennt. Insofern stellt sie eine bzw. die einzige Kontaktfläche zwischen Mensch und Welt dar.

Eine Verletzung, Durchdringung oder Öffnung der Haut wird oft als negativ oder bedrohlich konstruiert und es besteht in vielen Teilen der Gesellschaft ein idealisiertes Bild von Haut als weißer, möglichst glatter und makelloser Oberfläche. Hautunreinheiten, – veränderungen oder Narben werden meist stigmatisiert und als zu vermeiden angesehen.

Es gibt jedoch auch Kontexte, in denen Haut und Körper im Allgemeinen anders verhandelt und gesehen werden. Bodymodifications, zum Beispiel Tattoos oder Piercings, verändern und individualisieren die Hautoberfläche bewusst und haben Eingang in den gesellschaftlichen „Mainstream“ gefunden.

Wir möchten eine andere dieser Gegenpositionen sichtbar machen und sind der Frage nachgegangen, wie im Kontext der queeren BDSM-Szene in Berlin Grenzen, Körper und Haut gesehen, gefühlt und gelebt werden. BDSM (Bondage und Discipline, Dominance und Submission, Sadism und Masochism) bezeichnet viele unterschiedliche Praktiken, die sowohl mit körperlichen Empfindungen bzw. Schmerz als auch mit Kontrolle und Macht zu tun haben können; im Rahmen unserer Fragestellung haben wir uns auf Needle Play (Nadelspiele – das Setzen von Einmalkanülen unter die Haut) als eine Praktik konzentriert, die sich am Schnittpunkt von Grenzüberschreitung (so die Haut als Grenze gesehen wird), Intimität, Kunst und Körperpolitiken befindet.

[1] Benthien, Claudia 1999. Haut. Literaturgeschichte – Körperbilder – Grenzdiskurse. rohwolts enzyklopädie:Hamburg, 2. Auflage 2001, Seite 15.

 

Film: Was ist die queere BDSM Community?

 

Wie kann man sich ein Nadelspiel vorstellen?