Islam in Berlin
Bereits 1915 wurde in Berlin-Wünsdorf die erste Moschee gegründet. Heute leben in Deutschland circa 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime davon 249.000 in Berlin, die meisten davon in Kreuzberg, Neukölln und Wedding. Sie sind die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland.
Muslimische Migranten kommen aus 50 verschiedenen Ländern, wobei die Mehrheit aus der Türkei stammt, im Jahr 2008 hatten rund 63% der in Deutschland lebenden Muslime einen türkischen Migrationshintergrund.
Der Islam hat viele verschiedene Glaubensrichtungen, ungefähr drei Viertel der Muslime in Deutschland sind Sunniten. Dies ist auch die größte Glaubensrichtung im Islam, der circa 90 % der weltweit 1,6 Milliarden Muslime angehören. Im Vergleich zum Weltdurchschnitt leben in Deutschland, aufgrund religiöser Verfolgung in ihren Heimatländern, prozentual mehr Muslime der nicht sunnitischen Glaubensrichtungen, z.B. Schiiten, Bektaschi, Aleviten und verschiedene Sufi-Orden.
Die Unterscheidung in Sunniten (arabisch für Brauch) und Schiiten (arabisch für Anhängerschaft, Partei) geht auf die Frage zurück, wer die Gemeinschaft der Muslime leiten soll. In den Jahrzehnten nach Mohammeds Tod gab es Konflikte darüber, wer dazu berechtigt sei, jeder gläubige Muslim oder nur eine Person aus dem Stamm des Propheten? Die Schiiten glauben nur ein Familien-angehöriger des Propheten – also Ali und seine Söhne, die Enkel Mohammeds – könnte dessen Nachfolge antreten.
Für die Sunniten muss das Oberhaupt der Umma (der muslimischen Gemeinschaft) kein Familienmitglied des Propheten sein. In der religiösen Praxis und im Glauben unterscheiden sich die beiden Glaubensrichtungen aber kaum.
Im 18. und 19. Jahrhundert kam die erste größere Anzahl von Muslimen, aufgrund des Bündnisses zwischen dem Osmanischen Reich und Preußen, sowie später dem Deutschen Reich, nach Berlin. Die in Berlin-Wünsdorf gebaute Moschee wurde aber bereits in den 20er Jahren baufällig und musste abgerissen werden. Die älteste deutsche Moschee steht heute in Berlin-Wilmersdorf, ihr Baubeginn war im Jahr 1924 zu der Zeit entwickelte sich dann auch, hauptsächlich in Berlin, islamisches Leben. Die erste islamische Gemeinde wurde 1922 gegründet, 1924 erschien die erste muslimische Zeitschrift „Moslemische Revue“ und 1939 lag die deutsche Übersetzung des Korans vor.
Doch nach der Machtergreifung Hitlers fielen die Muslime unter die Rassegesetze und dieser Entwicklung wurde vorerst ein Ende bereitet. Anfang der 60er kamen dann Gastarbeiter in das geteilte Berlin und wurden dringend benötigt, denn Berlin hatte damals eine schrumpfende Bevölkerungszahl, außerdem entfielen nach dem Bau der Mauer 56.000 Berufspendler aus dem Osten.
Das religiöse Leben der Muslime in Berlin spielt sich, neben den vier großen repräsentativen Moscheen, die auch mit Minaretteturm und Kupel als solche sichtbar sind – die Wilmersdorfer Moschee, die Şehitlik-Moschee in Neukölln, das Maschari-Center am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg und der Khadija-Moschee in Pankow-Heinersdorf – vor allem in sogenannten Hinterhof-Moscheen ab. Mehr als 90 dieser Moscheen gibt es in Berlin. Bei der Aufteilung der Moscheen auf die Stadtbezirke ist die ehemalige Teilung der Stadt noch zu spüren, denn nur zwei Gebetsräume befinden sich im ehemaligen Ostteil der Stadt.
Diese Hinterhof-Moscheen entstanden erstmals in den 60er Jahren aus der Not heraus. Aus spiritueller Sicht stellt dies aber kein Problem dar, denn für Muslime ist nicht der Ort an sich heilig, sondern das Gebet macht den Ort erst heilig.
Das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen klappt in Berlin sehr gut, laut einer Studie der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder von 2014 sind wir die Vorzeigestadt in Europa im Umgang mit Muslimen. Auch eine Studie der Humboldt Universität unterstützt dieses positive Bild, denn 70 % der Berlinerinnen und Berliner empfindet die muslimische Kultur als eine Bereicherung für Deutschland.
Quellen:
https://www.hu-berlin.de/de/pr/nachrichten/nr1510/nr_151014_02
http://www.planet-wissen.de/kultur/religion/islam_in_deutschland/pwwbislamindeutschland100.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/berlin-moscheen-islam/komplettansicht
http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/was-waere-berlin-ohne-die-tuerken
http://www.sueddeutsche.de/politik/islam-was-schiiten-und-sunniten-trennt-1.840806
https://de.wikipedia.org/wiki/Islam
Tamer, 21 Jahre, Student mit türkischen Wurzeln, in Berlin geboren
Was bewegt Muslime in Berlin?
„ … Also was bewegt mich als Moslem in Berlin: Mich bewegen einige Dinge : Sehr positive Sachen aber auch manch‘ negative. Was ich schön finde in Berlin ist, dass wir eigentlich sehr viele Freiheiten haben. Wir haben sehr viele Gotteshäuser hier, darüber kann sich kein Moslem eigentlich mehr beschweren. Es gibt die große Moschee in Neukölln, die Sehitlik Moschee, dann wird glaube ich auch eine im Prenzlauer Berg eröffnet und am Kottbusser Tor gibt es ja jetzt auch eine, die ein Minarett hat. Wirklich schön ist auch, dass der muslimische Glauben langsam ein Teil Berlins wird, daneben gibt es ja auch noch das alevitische Gebetshaus in Kreuzberg. Also spiegeln sich hier auch die zahlreichen Facetten des Islams in Berlin wieder. Sehr bewundernswert finde ich das friedliche Zusammenleben aller Religionen, da ein regelrechter Einklang herrscht. Es gibt auch den Tag der offenen Moscheen, der immer wieder zahlreiche Besucher anzieht, sich diese ganzen Ortschaften anzusehen und sich über den Glauben zu informieren. Das fördert den interkulturellen Austausch. Doch nicht nur an diesem Tag: Die Sehitlik bietet beispielsweise in der Woche zahlreiche Führungen an. Wir als Seminarkurs haben dort auch eine Exkursion unternommen. Es war auch sehr schön. Das baut meiner Meinung nach auch sehr viele Vorurteile ab. Außerdem ist auch dieses spirituelle Umfeld dort sehr schön. Man muss sagen im Fastenmonat, also im Ramadan, sieht man auch wie die Leute hier auch eine Art „Ramadanmarkt“ eröffnen. Man merkt, es interessieren sich immer mehr Menschen für das Thema und der Islam ist eigentlich gar keine so fremde Religion , sondern sie wird langsam immer mehr beheimatet. Das gefällt mir natürlich sehr, weil es drauf ankommt, dass die Menschen in Frieden leben können und jeder seine Religion frei praktizieren kann. Aber das ist leider nur die eine Seite der Medaille, da gibt es natürlich auch Leute, die die Religion als Auslöser für Unruhen sehen und dem Islam die Schuld für einiges geben. Beispielsweise terroristische Provokationen, die man eigentlich keiner Religion zuschreiben sollte. Doch manchmal versucht die Presse das so darzustellen. Das sind Sachen, die nicht sein sollten, denn es liegt immer an den Menschen, die so eine gestörte Ideologie verbreiten, welche in meinen Augen auch keine gut praktizierenden Gläubigen sind. Diese haben meiner Meinung nach ein ganz falsches Verständnis vom Islam. Es gibt jedoch auch andere negative Sachen, wie beispielsweise das Ausschließen Muslimischer Kinder auf dem Pausenhof, wie es beispielsweise bei mir in der Grundschule der Fall war. Man sollte, finde ich, mit den Werten der Menschen nicht spielen und sie keineswegs erniedrigen. Ich sehe solche Menschen aber auch als Ausnahmefall, da sie einfach zu schlecht über den Islam informiert sind. Ansonsten finde ich, dass Berlin sehr schön im Einklang mit den Religionen lebt. Man betrachte, wie viele evangelische und katholische Gotteshäuser es hier neben den Moscheen gibt und das zeigt eigentlich, dass alle Religionen friedlich miteinander leben können, obwohl es immer wieder Unruhestifter gibt, die versuchen diese Harmonie zu zerstören und das sollte meiner Meinung nach nicht sein.“
Zainab, 16 Jahre, Schülerin mit libanesischen Wurzeln, in Berlin geboren
Was bewegt dich als Muslimin in Berlin?
„ … Mich bewegt so einiges. Ich trage selbst ein Kopftuch und musste anfangs mit sehr vielen Vorurteilen kämpfen in der Schulzeit. Ich habe mit 13 angefangen ein Kopftuch zu tragen und das wurde gleich als Unterdrückung gewertet, was gar nicht so ist. Habe mich selbst dazu entschlossen ein Kopftuch zu tragen, da ich fand, dass ich dafür bereit bin. Aber leider nehmen die Leute das hier gleich anders auf, wenn sie jemanden so junges Kopftuch tragen sehen. Sie gucken mich gleich seltsam an, was mich anfangs sehr verunsichert hat. Warum ist das ein Problem, wenn ich mich verhülle? Weshalb bin ich gleich unterdrückt? Ich wurde auch oft gefragt, ob ich zu Hause unterdrückt werde oder ob mein Vater wollte, dass ich ein Kopftuch trage, aber immer, wenn ich mit nein geantwortet habe, wurde so geschaut, als hätte man sowieso ein „nein“ erwartet. Das finde ich sehr schade und in letzter Zeit bewegt mich auch, nach den ganzen Vorfällen die passiert sind, dass die Menschen sehr abweisend reagieren und abwertend uns gegenüber sind. Wir sind nicht verantwortlich für diese Vorfälle. Ich finde der Zusammenhalt in der Gesellschaft sollte gestärkt werden, ohne dass Menschen gekränkt werden.“
Zehra, 50 Jahre, Krankenschwester, in Berlin aufgewachsen
Was bewegt Sie als Muslimin in Berlin?
„ … Also vor allem bewegt mich der islamische Friedhof am Columbiadamm mit der deutschen Geschichte, die sich dabei verbindet, die Sehitlik Moschee und die Moscheen überhaupt in ganz Deutschland, in ganz Berlin, die untereinander verbunden und in Deutschland mit integriert sind. Aber auch die muslimischen Läden und Supermärkte. In einer anderen Stadt oder in einem Dorf kriegt man das nicht an jeder Ecke, in Berlin ist das sehr offen und freizügig. Auch die Sache mit dem Kopftuch, man kann so gut wie überall rein, also es gibt kein Kopftuchverbot und keine Einschränkungen für die Frauen. Man fühlt sich in der Stadt sicherer als in den Ostgebieten zum Beispiel. Auch die Kommunikation zwischen beispielsweise bosnischen oder arabischen Muslimen untereinander. Es gibt auch den Verein Islamic Relief – eine muslimische Einrichtung und Organisation die weltweit unterstützt wird und selbst Muslime in Not unterstützt mit Projekten, wie in Afrika die Brunnenerrichtung. Die ganzen Muslime in Berlin haben alle zwar ihre eigenen Moscheen, so wie die Türkische oder die Arabische, aber irgendwo sind sie alle vereint und halten zusammen wenn es um etwas bestimmtes geht, wie beispielsweise um Spendenhilfen. Als diese Demonstrationen in Kairo waren, da haben sich auch sehr viele Muslime versammelt und zusammengetan und hier in Berlin eine Demo organisiert, zur Unterstützung und zum Zusammenhalt.“
Rüveyda, 19 Jahre, Auszubildende, in Berlin geboren
Was bewegt dich als Muslimin in Berlin?
„ … Was ich da genau antworten soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Berlin ist, finde ich, ziemlich bunt gemischt, es gibt jede Religion, jede Glaubensrichtung und man geht hier ziemlich offen damit um, das gefällt mir ziemlich gut. Vor allem, dass man die Möglichkeit hat, in die Moschee zu gehen und seine Religion frei zu leben. Ich arbeite in einem deutschen Geschäft und da finde ich es sehr respektvoll, dass wenn ich dort bete, ich nicht ausgegrenzt werde oder meine Chefin was dagegen hat. Neulich war ich bei Hugendubel und habe den Koran, übersetzt auf Deutsch und Bücher mit abgebildeten Moscheen entdeckt. Das fand ich echt cool.“