Berlin gefühlt, gehört und berochen

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Berlin ist eine Großstadt. Wie in jeder Großstadt gibt es eine Fülle von Dingen, die einem entgehen, gerade weil sie permanent da sind. Es sind unsere Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken – die gereizt werden. Die Eindrücke überlagern sich, oft springt das Grelle und Laute in den Vordergrund. Doch die Stadt darunter ist immer da. Ihr Geruch, ihr Geschmack, ihre Temperaturen, Texturen und ihre Geräusche umgeben jeden, der sich in ihr bewegt. Um die Stadt, die immer da ist, sichtbar und erfahrbar zu machen, schalten wir das Laute aus und übersehen das Grelle. Wir lassen einzelne Sinne außer acht, zur Intensivierung der anderen.

Riechen, Hören und Fühlen sind Gegenstand unserer Beobachtungen.
Damit wir unsere Wahrnehmungssplitter summieren konnten, brauchten wir eine fiktive Figur, den Typ X. Eine Person, der wir die Augen schließen konnten und den Mund zuklappen. Der zu einem Wahrnehmungsapparat geworden ist. Unser Typ X ist jeder und keiner gleichzeitig. Jeder von uns hat seine Wahrnehmung hinter dem Bild unserem Typen X geliehen. Typ X ist ein Aufzeichnungsgerät, das die Stadt auf sich wirken lässt.
Ihn haben wir zwei Versuchen ausgesetzt. Der erste Versuch konzentrierte sich auf seine Nase und der zweite auf Ohren, Nase und Hände.

 

Aufzeichnung für ein fiktives Geruchs-Simulationsgerät für Stadtwanderungen – Prototyp Berlin:

Diese Aufzeichnungen sind für ein noch nicht realisiertes Abspielgerät für Sinneswahrnehmungen entstanden. Es sind erste Aufzeichnungen durch Typ X für eine Kartographie der Gerüche der Stadt Berlin. Um dieses Geruchsarchiv zu beginnen, ist Typ X in die Ringbahn gestiegen. Per Zufall stieg er hier oder da aus, um sich in den S-Bahnhöfen und ihrer Umgebung den Gerüchen auszusetzen.

Ein Einblick in die entstehende Kartei:

 


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Bisher ungeordnetes noch nicht ins System eingespeistes Material:

 

Schluss

Sonnenallee: Gulli, Alkohol, Fritteusenfett, Zigaretten, Kokos (chemisch/Duschbad), angebrannte Aufbackwaren, geröstete Kaffeebohnen, Zigarettenrauch Tempelhofer Feld: Erde (leicht), Abgase (entfernt), Pflanzen, Chlor, versickertes Waschwasser, Wolke von einer Imbissbude: Mayo, Ketchup, Frittenfett, Nachtrag: Kohle, Plastikmülltonnengeruch Südkreuz: Fäkalien, leichter Holz-Pilz-Moosgeruch (lange Bank), Kaffee, Backwarengeruch von „le Crobag“ dominiert Bahnsteig, süßlicher Kaugummigeruch, scharf-ätzende Chemikalien, Reinigungsmittel, Rollkoffer (Plastikschalen, neues Plastik) Westkreuz: Gummi, Weichspüler, Zwiebeln, nasser Hund (leicht), Fensterputzmittel Prenzlauer Allee: Aftershave, Schmalzgebackenes, kalter Zigarettenrauch, Supermarktgeruch (Kühlreihen), Plastik, Erde, Sauerkraut Westhafen: Schotter, Kohle, Schnupftabak, Asphalt, Metall (geschweißt), süßlicher nicht identifizierbarer Geruch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Neue Sinfonie einer Großstadt –
eine Annäherung an die Sinne:
Riechen/Hören/Fühlen

 

Das Ohr an den Bäuchen der Stadt. „Der Bauch von Paris“ nannte Emil Zola seinen Roman über die Markthallen von Paris. Für unsere neue ‚kleine‘ Sinfonie einer Großstadt haben wir an den Bäuchen von Berlin gelauscht. Die Diversität einer Stadt bildet sich auf ihren Märkten ab. Der Verschiedenheit Berlins haben wir am Maybachufer, in der Markthalle 9, im Don Xuan Center und auf dem Lucia Weihnachtsmarkt der Kulturbrauerei nachgespürt. Wie klingen die Märkte?
In Anlehnung an Walter Ruttmans „Berlin – Sinfonie einer Großstadt“ (1927) sucht Typ X Bilder der Großstadt. Im Verlauf eines Tages findet er Motive des Stummfilms, des alten Berlins, in der Gegenwart wieder. Zwischen diesen gefundenen Bildern ist er es, der an den Bäuchen der Stadt Berlin lauscht.
Das von ihm Gehörte lässt sich als einzige Wahrnehmung der drei genannten Sinne direkt übertragen. Für die verbliebenen zwei Sinne ist nur die Suggestion möglich, der Versuch, in der visuellen Dokumentation Gerüche und Materialität zu suggerieren. Kurz, zu zeigen, wie es sich anfühlt, wie es riecht, duftet, und stinkt.