Graffiti – legal // illegal?

 

Was bedeutet Graffiti?

Graffiti ist die Pluralform des italienischen Wortes graffito, übersetzt Schraffierung und bezeichnet ursprünglich eine in Stein geritzte Inschrift. Es ist abgeleitet von dem griechischen Wort γράφειν (graphein), das „schreiben“ bedeutet. Im Deutschen verwenden wir selten die Singularform Graffito, in der Regel ist die Rede von Graffitis.

 

Zur Entstehung von Graffiti:

Die ersten Graffiti wurden von den alten Ägyptern in Felsen, Gräber, Tempel und Statuen geritzt. Private Schriften, die oft Gebete, Wünsche, Götterehrungen oder einfach den Namen des Schreibers beinhalteten. Spätestens seit dem alten Reich ( 2702-2216 v. Chr. ) finden sich Graffiti in den verschiedensten Sprachen und Formen.
In manchen Städten der Römer ( z.B. Pompeji und Herculaneum, gingen 79 n. Chr. unter ) fand man ebenfalls Graffiti, die über die Lebenssituationen der Menschen Aufschluss gaben. Sie stellten Bilder und Szenen dar, die zum Beispiel Gladiatorenkämpfe zeigten.
In Amerika wurden bei den Maya in Tikal Graffiti gefunden, die bis ca. 100 v. Chr. zurückreichen sollen, und auch die Wikinger ritzten lange Zeit Runen in Stein.
Für Historiker sind diese Graffiti natürlich sehr hilfreich um damalige alltägliche Situationen reproduzieren zu können oder auch den Grad der Alphabetisierung zu erschließen.
Während über die Jahrhunderte viele Adlige und bekannte Personen ihre Namen oder Nachrichten überall hinterließen, wo sie waren fanden sich zum Beispiel in Paris in den 1830er Jahren viele Graffiti, die hauptsächlich von Straßenjungen gemalt wurden. Graffiti scheint in diesen Zeiten nichts Verwerfliches gewesen zu sein, sondern Teil der Kultur.

 

Etwa hundert Jahre später entwickelten sich in den USA Graffiti, die von sogenannten Gangs stammten und in der Hauptsache der Reviermarkierung dienten. Die Blütezeit dieser Ganggraffiti waren die 1970er bis 1990er Jahre. Im Zuge der Studentenbewegungen in den 60er Jahren verbreiten sich ebenfalls Graffiti mit politischen Inhalten wie zum Beispiel das 1958 entstandene Peace-Zeichen. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre entwickelte sich in Europa -vor allem in Amsterdam- das sogenannte „taggen“, das anders als die Writing-Kultur in Amerika eher bildliche Motive zeigte. Zu dieser Zeit sind es hauptsächlich Punks, die auch im öffentlichen Raum sogenannte „stencil“ (Schablonen) für Graffiti verwenden.
(Vgl. hierzu: LINK: fassadenkunst vom 21.06.16)

 

Der Fall des Naegeli:

Harald Naegeli wurde als „Sprayer von Zürich“ in den 70er Jahren weltweit bekannt. Er malte ab 1977 verschiedenste Strichfiguren im öffentlichen und privaten Raum mehrerer Städte. Motiviert, das graue Stadtbild von Zürich zu verschönern, verbreitete er seine schwarzen Figuren in der ganzen Stadt. Während ihn die allgemeine Öffentlichkeit dafür verurteilte und ihm böswillig Sachbeschädigung vorwarf, maßen viele Intellektuelle und Künstler seinen Bildern einen künstlerischen Wert bei. Wegen seiner Graffiti in Zürich wurde er 1981 zu neun Monaten Haft und einer Geldstrafe von 206.000 Franken verurteilt. Daraufhin floh er nach Deutschland und ein internationaler Haftbefehl wurde gegen ihn erwirkt, was dazu führte, dass er die Strafe 1984 absitzen musste.
Der Künstler Joseph Beuys setzte sich beispielsweise für Naegeli ein und schrieb in einem Brief an die Straßburger Instanz: „Weder durch legales noch durch illegales Hervorbringen von Kunstwerken entsteht der Gesellschaft oder dem Einzelnen Schädigung. Indessen bedeutet deren willentliche Vernichtung Unterdrückung von Information und von Möglichkeiten zur Bewusstseinsbildung“.
Ein abgetipptes Zitat des Sprayers über ein Ereignis in Zürich:

„Stellt nicht der künstler bomben her? gewiss, spraybomben z.B. sprengsätze mit sofortiger wirkung oder auch zeitzünder. wo entschärft man sprengsätze? antwort: in kunsthallen, museen und galerien – tabufreie plätze von der gesellschaft listig und klug geschaffen: HIER darfst auch Du etwas sagen lieber künstler hier ist dein ort, hier ist dein plätzli!
es gibt zwei sorten künstler, die einen schaffen die bombe poesie die anderen fabrizieren torten. letztere sind die bürgerkünstler, das sind die kunstpreisaspiranten (. . .)
hat nicht das kunsthaus zürich ahnungsvoll vor elf jahren eine kleine collage von mir erworben, mit dem bezeichnendem titel: die wespe! gewiss, das ist der fall, und 900 fränkli haben die herren für das tierchen bezahlt aber nicht träumen konnten sie, dass es auch stechen kann. denn als ich später grosszügig, wie ich nun einmal bin dem kunsthause 4 unvergleichlich bedeutendere werke an seine aussenmauern sprayte liessen die herren die Zeichnungen wegscheuern – denn sie waren nicht am richtigen plätzli! sie waren nicht innerhalb der „heilgen mauern“ des museums. so ein kunshausdirektor ist ja ein kluger mann, er unterscheidet genau zwischen torten -u. bomben -kunst. die torten geniesst er, die bomben entschärft er, resp. innerhalb der „heilgen mauern“ entschärft er sie. (. . .) die tortenfabrikanten in die konditoreien -halt in die kunsthäuser! u. die bombenleger in die gefängnisse ganz wie es sich gehört, (. . .)“

der züricher sprayer

(aus: Naegeli, Harald: „mein revoltieren mein sprayen“.
Zweite überarbeitete Auflage, Dokumentation von Fotos Zeichnungen und Texten,
ausgewählt und zusammengestellt vom Zürcher Sprayer. Benteli Verlag, Bern 1983.)

 

Heute lebt und arbeitet Harald Naegeli in Düsseldorf und ist anerkannter Künstler.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Graffiti in der Gegenwart eine Mitteilungsform darstellen die sowohl illegal und verfolgt sein können als auch eine anerkannte Kunstform verkörpern.

 


 

 


 

 

 

 

Projekt von Paula Glubs